|  | Der Mann heisst Romeo Grünfelder. Er ist 
                    interessiert an Un-Dingen, befasst sich mit transmedialen 
                    Erscheinungen, Ufologie und Parapsychologie. Und zurzeit bewohnt 
                    er auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft Zürcher Bildhauer 
                    (AZB) ein Gastatelier im "Gasi" Schlieren.
 Seit kurzem gewährt die AZB auch ausländischen Künstlern 
                    ihr Gastrecht. Romeo Grünfelder aus Deutschland ist der 
                    erste, dem dieses Gastrecht zuteil wurde. Doch nun behauptet 
                    dieser Mann von sich steif und fest, er sei weder ein Künstler, 
                    noch sei er kreativ. Was soll das? Hier der Versuch eines 
                    Portraits.
 
 Romeo Grünfelders Atelier ist weitgehend leer. Keine 
                    Skulptur, die am Entstehen ist, keine Plastik, die bearbeitet 
                    wird. Das befremdet. Kisten mit Schallplatten, Videotapes 
                    und CD-Rom stehen herum, ein einfacher Schreibtisch mit Computer 
                    und Laptop. Das ist alles.
 Eigentlich suchte sich die AZB einen raumschaffenden Künstler, 
                    einer der dreidimensional arbeitet. Romeo Grünfelder 
                    dagegen setzt sich auseinander mit "räumlichen Phänomenen" 
                    schlechthin. Wenn er etwas kreiert, dann ist es ein Gedankenkonstrukt 
                    in seinem eigenen Kopf. Das nennt er dann den "Seelenschrott 
                    seines Denkorgans". Er sagt von sich, er sei nicht "Raum 
                    schaffend", Raum schaffen könne nur der liebe Gott.
 
 Den Bürokratien zum Trotz
 
 Romeo Grünfelder ist 1968 in Mutlangen (D) geboren. In 
                    Schwäbisch Gmünd, in der Nähe von Stuttgart, 
                    nach seinem gymnasialen Schulabschluss absolvierte er zunächst 
                    eine Lehre als Tischler. Nach 18-monatigem Zivildienst zog 
                    er schliesslich nach Hamburg um zu studieren. Kunst und Musik 
                    haben es ihm schon während seiner Schulzeit angetan, 
                    und schon damals fragte er sich, weshalb er nicht beide Kurse 
                    bleichzeitig belegen konnte. Jetzt wollte er das nachholen. 
                    Allen Bürokratien zum Trotz schreibt er sich in Hamburg 
                    für zwei Studienrichtungen ein. Nach dem Motto: "Wenn 
                    einer schon gleichzeigit Mathematik und Pyhsik studieren kann, 
                    weshalb sollte ich denn nicht zur gleichen Zeit Musik und 
                    Kunst studieren?" Fortan widmet er sich an der Kunsthochschule 
                    Hamburg der visuellen Kommunikation und an der Musikhochschule 
                    der klassischen Gitarre. Doppelte Anforderungen, zwei Stundenpläne? 
                    Auf die Frage, wie man das durchziehen kann, antwortet er: 
                    "Entweder setzt man die doppelte Power ein, um ans Ziel 
                    zu kommen, oder man schleppt sich an beiden Orten nur noch 
                    mit halber Kraft durch" Er sagt, bei ihm hätten 
                    die beiden Zustände abgewechselt. Wenn an beiden Orten 
                    Projektarbeiten anstanden, sei es manchmal schon hart gewesen. 
                    Fünf Jahre lang zog er das durch.
 Danach wurde er an der Hochschule für Bildende Künste 
                    wissenschaftlicher Assistent für Medienphilopsophie bei 
                    Dr. Hans Joachim Lenger und anfänglich auch für 
                    Wim Wenders. Er arbeitete mit an diversen Filmprojekten. Es 
                    entstanden verschiedenste Kurzfilme wie Jimmy Jenseits, Der 
                    blonde Engel oder beispielsweise ein 13minütiger Streifen 
                    Ohne Titel, eine Videoperformance über Ufologie. Es handelte 
                    sich dabei um das "kubo-futuristische Portrait des Physikers 
                    Illobrand von Ludiwger udn dessen transzendentalen Imagination 
                    der sechsdimenstionalen einheitlichen Quantefeldtheorie im 
                    Horizont seriöser Ufoforschung".
 
 Es ging um eine wissenschaftliche Erfassung und Dokumentation 
                    von Erscheinungen unbekannter Flugobjekte. Es ginge nicht 
                    darum, ob Ufos tatsächlich existierten oder nicht. Ob 
                    Fake oder nicht sei nicht wichtig. Es ginge um die Fragestellungen 
                    dahinter. Fast nebenbei, als wäre es nichts besonderes, 
                    räumt Grünfelder ein: "Stören Sie sich 
                    bitte nicht an den sechs Dimensionen".
 
 Anhäufung von messbaren Punkten
 
 Ebenso beiläufig erwähnt er, daß ihm diese 
                    Filmchen gar nicht so wichtig seien. Viel wichtiger scheinen 
                    ihm diese Gedankengaänge in seinem Kopf. Die Auseinandersetzung 
                    mit dem Raum per se. Ihm geht es um den Raum nicht als eine 
                    Aneinanderreihung von messbaren Punkten sondern um die Unterscheidung 
                    von Schnittstellen, die einen Ablauf im Raum erst ermöglichen. 
                    Und um deren Wahrnehmbarkeiten. Immer wieder zieht er Quervergleiche 
                    zur Kunst. Immer wieder taucht im Gespräch die Frage 
                    auf, "was ist überhaupt Kunst?" Ab wann wird 
                    ein scheinbar gewöhnlicher Hocker zu Kunst. Oder anders: 
                    Ist ein Hocker, der von einem gewöhnlichen Handwerkerlehrling 
                    gefertigt wird, auch Kunst? Ist dann jeder Handwerker ein 
                    Künstler?
 
 Nach zweistündigem Interview ist es Grünfelder nicht 
                    gelungen, dieses sein Gedankenkonstrukt der Zuhörerin 
                    plausibel darzulegen. Es bleiben Fragmente. SEi es drum: dieser 
                    Mann behauptet also von sich, er sei weder ein kreativer Mann 
                    noch ein bildender Künstler. Trotzdem erhält er 
                    ein Kunststipendium. Und welche Arbeit präsentiert er 
                    der AZB am Ende seines sechsmonatigen Gastaufenthaltes? Auch 
                    diese Frage kann der Mann nicht wirklich schlüssig beantworten: 
                    "Vielleicht wieder eine Performance", sagt er.
 
 Neue Perspektiven durch Müssigang
 
 Severin Müller, einer der 15 kunstschaffenden Bildhauer 
                    im Gaswerkareal, war damals selber Mitglied in der Jury, erklärt, 
                    weshalb er sich damals für Grünfelder entschieden 
                    hatte. Er habe diesen Mann anlässlich einer Performance 
                    kennengelernt, in einer Galerie in Zürich, sagt Müller. 
                    "Das war an einem 4.Juni. Er hatte einen Film laufen 
                    lassen und er hatte einen seltsamen Vortrag gehalten über 
                    die Unabhängigkeit in Amerika", erinnert er sich. 
                    "Romeo Grünfelder ist jemand, der sich querstellt", 
                    sagt er weiter. Und das sei gut so. "Wir vom AZB haben 
                    zu tun mit grossen, schweren Dingen" Grünfelder 
                    bringe durch die Betrachtung aus seiner Warte neue Impulse, 
                    so Müller weister. Grünfelder sei hochbegabt, sagt 
                    Müller, "er stimmt uns nachdenklich". Deshalb 
                    sei die Wahl für ihn die richtige gewesen. Und die Stipendiengelder? 
                    Die seien ähnlich wie in der Forschung. "Grünfelder 
                    hat keine Verpflichtung uns gegenüber" Es reiche 
                    die Auseinandersetzung mti ihm. Und vielleicht sei es ja gerade 
                    sein Müssiggang, der ihnen als Künstler neue Perspekiven 
                    eröffne.
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